Mein Interview mit Bodo Janssen

Für meine Bachelorarbeit zum Thema “Employer Branding” durfte ich den Unternehmer Bodo Janssen interviewn. Ich bin sehr froh über den Einblick den Bodo uns damit in die Hotellerie gewährt und freue mich seine Vision mit euch zu teilen. Hier im Link noch ein Einblick zur Geschichte Bodo Jannsens.

17.Juli 2019:

1. Beschreiben Sie kurz, was ein Mitarbeiter für Sie bedeutet. Welchen Stellenwert hat der Mitarbeiter für sie?

Die Stärkung des Mitarbeiters ist der Kernprozess unseren Unternehmens geworden. Also der Sinn unseres Unternehmens besteht darin Menschen zu stärken. Und Menschen zu stärken heißt für uns dass sie sich psy-chisch, physisch und sozial wohl fühlen. Also die Definition der WHO – der Weltgesundheitsorganisation. Das ist unser Kernziel. Es gibt nichts was für uns eine höhere Bedeutung hat als den Menschen zu stärken.

2. Wie kommen Sie zu dieser Erkenntnis?

Das hängt natürlich mit der Geschichte zusammen, die wir hier jetzt mal außen vor lassen. Aber ich habe das Gefühl gehabt, nachdem ich meine desaströsen Erlebnisse hatte und mich mit den großen und wichtigen Fra-gen des Lebens beschäftigt habe, dass das etwas ist woran ich andere Menschen teilhaben lassen möchte. So ist auch der Gedanke entstanden, dass der Mensch nicht nur ein Mittel zum Zweck des Unternehmens ist, sondern ich der Mittel zum Zweck der Menschen bin. Und das ich das Ge-fühl habe das die Wirtschaft so wie sie Momentan geschieht, oder auch in der Vergangenheit, sowohl den Menschen als auch der Umwelt nicht gut tut. Und das ist eine ganz innere Sehnsucht von mir, dass ich die Men-schen dabei unterstützen möchte das zu erleben, jeder für sich, auf seine Art, mit den Antworten auf seine Lebensfragen, so wie ich es für mich ge-tan habe, weil es sich einfach gut anfühlt. Das empfinde ich als Sinnvoll. Und wenn wir jetzt mal an die dritte Wiener Schule der Psychoanalyse ge-hen, Victor Franke und die Logotherapie, dann besteht der Weg zum Sinn in der Selbsttranszendenz, also dessen was mir als Menschen wichtig ist. Das heißt, ich empfinde als Mensch dann etwas sinnvoll, wenn ich mein Umfeld daran teilhaben lasse was mir als Mensch wichtig ist. Bei mir ist das beispielsweise die Freiheit, weil Freiheit ist mein wichtigster Wert. Und ich setzte mich dafür ein, dass jeder Mensch die Freiheit hat, das zuLeben zu leben was ihm als Mensch wirklich wichtig ist. Und die Frage nach dem Warum dabei ist, weil es mir sinnvoll erscheint.

3. Einer ihrer Leitsätze lautet „Potenzialentfaltung statt Ressour-cenausnutzung“. Warum sagen Sie ist es wichtig, sich am Arbeits-platz entfalten zu können? Wo sehen Sie den Mehrwert als Unterneh-mer?

Der Mehrwert als Unternehmer ist immer sehr davon abhängig, was Er-folg für mich bedeutet. Und Erfolg bedeutet für mich nicht mehr dass, was es in der klassischen Betriebswirtschaft und Leistungsgesellschaft bedeu-tet. Nur ein hoher wirtschaftlicher Gewinn ist für mich bedeutungslos. Er-folg bedeutet für mich tatsächlich das Leben zu lieben, und das ist erstmal was ganz anderes. Das heißt die Freude am Leben zu haben. Es ist die Verabschiedung von der Work-Life-Balance hinzu zum Work-Life-Blen-ding. Also Arbeit und Leben nichtmehr voneinander zu trennen, sondern Arbeit als Teil des Lebens zu betrachten weil wir eben einen Großteil unsere Zeit mit dem verbringen, was wir als Arbeit bezeichnen. Arbeit ist et-was, dass in der Vergangenheit auch im Duden mit Begriffen wie Mühsal, anstrengen, Leistung, Druck etc. beschrieben wurde. Dafür ist mir das Le-ben ein stückweit einfach zu schade. Die Arbeit muss nicht anstrengend sein, Arbeit kann schön sein und Arbeit kann Selbstverwirklichung sein und aus diesem Grund setzt ich mich dafür ein und das bedeutet für mich auch Erfolg. Ich arbeite mit vielen Psychologen und Professoren in dieser Richtung zusammen. Und Erfolg bedeutet für mich wenn in den Augen meines Gegenübers dem Licht begegne. Also da dieses Leben raus-schaut. Wenn die Leute sagen: Hey, ich hab Bock auf das Leben, ich habe Freude daran. Das bedeutet für mich Erfolg, dass ist das wofür ich jeden Tag aufstehen. Und das kann kein Geld der Welt ersetzen. Kein Geld der Welt kann mir das bezahlen, wenn ich einen jungen Auszubil-denden habe der vor zwei Jahren mit Depressionen zu uns gekommen ist, kein Plan vom Leben hatte und nach zwei Jahre frei von Psychophar-maka ist, ein klares Verständnis davon entwickelt hat wofür er sich im Le-ben einsetzen möchte und sich auch für andere einsetzt und mit seiner Geschichte berührt.

4. Wie erklären Sie sich die Verdopplung der Unternehmensumsätze von rund 40% seit dem Sie den Upstalsboom-Weg gehen?

Also tatsächlich sind wir, das gesamte Unternehmen, im letzten Jahr um rund 50% gewachsen. Ausversehen- das war nicht geplant. Und ich glaube, dass der Sinn da ne ganz große Rolle spielt. Wir haben uns ja dazu entschieden das Unternehmen in einen gemeinnützige Stiftung zu verwandeln, zu 100%. Das heißt alle Gewinne die erwirtschafte werden fließen in gemeinnützige Zwecke, die die Mitarbeiter im Vorfeld definiert haben. Das heißt der Mitarbeiter weiß, ich verdiene Geld um meinen Le-bensunterhalt zu verdienen und alles was unterm Strich über bleibt wird in Projekte investiert die ich als sinnvoll finde. In die Forschung, die Gesund-heit etc. Und das beflügelt die Menschen, wenn sie wissen dass sie sich nicht für irgendjemanden krumm machen.

5. Zählt zu den Projekten, auch der Bergsteig zum Kilimandscharo mit ihren Auszubildenden?

Ja genau. Oder letztes Jahr waren wir mit unseren Auszubildenden bei-spielsweise in der Arktis für 14 Tage. Da ging es um Themen wie „über-winden zur Gewohnheit werden lassen“ . Wir bauen Schulen in Afrika und fliegen regelmäßig mit unseren Mitarbeitern hin. Wir unterstützen Hos-pize, wir machen ganz viel. Und das, um in der Begegnung mit den Men-schen und der positiven Erfahrung als Mensch zu wachsen. Und auch das erleben Menschen. Wir haben Zimmermädchen die verdienen ganz wenig Geld, aber geben trotzdem ganz viel dafür, weil sie einfach erlebt haben, dass es etwas anderes gibt als nur Geld zu verdienen um sich wohl zu fühlen. Sie setzen sich dann sozial ein und engagieren sich. Und das ist eine ganz wunderbare Entwicklung. Und dann entsteht diese Wirt-schaftlichkeit von ganz automatisch.

6. Was unternehmen Sie, um dem schlechten Ruf der Hotellerie/ Gast-ronomie entgegenzuwirken?

Das ist natürlich auch die Fragen, mit welcher Haltung mache ich das. Wenn ich Geld verdienen will, gibt es ganz sicherlich optimalere und effi-zientere Möglichkeiten um das zu tun. Aber wir versuchen gerade einen ganz neuen Blickwinkel und Perspektive auf die Hotellerie zu werfen. Nämlich die Hotellerie als die perfekte Voraussetzung für die Schule des Lebens. Wir brauchen anderen Menschen, um mit ihnen wachsen zu kön-nen. Denn wenn wir als Menschen niemanden gegenüber haben, dann können wir uns als Mensch nicht entwickeln. Und so sehen wir das. Wir sehen weniger die fachliche Ebene, wie man einen Tisch richtig eindeckt, oder gutes Essen zubereitet. Wir sehen die Aufgaben darin, dass uns die zwischenmenschlichen Beziehungen gelingen. Denn Gastfreundschaft bedeutet Beziehung zu fördern und zu ermöglichen. Denn es geht immer um gelingende Beziehungen. Wenn du überlegt, dass 50% der Haushalte in Hamburg Singlehaushalte sind und immer mehr Menschen vereinsa-men und wir aus der Psychologie wissen, dass vereinsamen schlimmer ist als Alkohol, dann sehen wir doch dass sich die Menschen im Grunde danach sehnen in Kontakt zu treten und sich austauschen wollen. Und dafür bietet die Hotellerie genau diese Möglichkeit, mit Menschen in Kon-takt zu kommen. Dabei ist die Hotellerie aber keine Seelenloses professi-onelles Konzept, indem ich vielleicht besonders schicke Hotels mache o-der besonders tolles Essen machen. Da ist die Hotellerie ein Ort wo Be-ziehungen und Begegnungen ermöglicht werden. Und die Aufgabe der Mitarbeiter nicht darin besteht einen tollen Service zu machen, sondern einfach für Menschen da zu sein. Es ist wichtig, dass der Mitarbeiter sich entfalten kann und er selbst sein kann. Dass lieben Menschen, diese Echtheit, die Authentizität. Und dann finden Begegnungen statt und dann haben die Menschen plötzlich das Gefühl, dass sie ihre Rollen ablegen können. So ein bisschen auch Richtung Goethe: Hier bin ich Mensch, hier darf ich ich sein. Und unsere Mitarbeiter schenken unseren Gästen auch das Gefühl, dass sie so sein dürfen wie sie sind. Und das hat einen ganz andere Qualität als das 5-Gänge-Menü, das interessiert keinen mehr, das bekommt man überall und es ist Standard.

7. Das heißt das Wohlbefinden der Mitarbeiter überträgt sich dann auch auf den Gast, und spiegelt sich letztlich auch in der Qualität wieder?

Es ist eine ganz andere Qualität. Es ist keine professionelle Qualität, es ist eine emotionale Qualität. Es hat was mit Gefühlen, innerer Haltung und Bildern zu tun und nicht mit Standards. Und wir merken einfach, wie im-mer mehr Menschen sich danach sehnen. Vor allem aus dieser digitalen Schleife herauszukommen. Denn die Menschen sehnen sich nach echten Begegnungen, Sie wollen mit Menschen sprechen und das nicht auf einer oberflächlichen Basis, Sie wollen gehört werden. Denn wenn ich Men-schen höre, dann fühlen sie sich zugehörig. Das kommt ja nicht von unge-fähr. Unsere Mitarbeiter haben auch die Zeit dafür, den Menschen zuzu-hören und Gespräche mit ihnen zu führen. Weil wir einfach Dinge anders machen als vorher. Und das ist einfach eine andere Ebene auf der wir die Hotellerie sehen. Und so sehe ich die Hotellerie als eine Plattform dafür, dass gelingenden Beziehung entstehen können wenn sich die Menschen danach ausrichten und sich dabei unterstützen. Wir machen beispiels-weise gerade was ganz verrücktes. Und zwar bilden wir unsere Mitarbei-ter systematisch aus, Sinnführende Gespräche mit Menschen zu führen. Egal ob mit den Mitarbeitern oder dem Gast. Da eröffnet im Januar ein Hotel, das ist „das Hotel am Rande der Welt“. Das hat nichts mit Hotelle-rie zu tun. Da ist der Koch ein Coach. Da ist der Mitarbeiter auch Coach. Und da wird nicht ab einer gewissen Uhrzeit gegessen sondern zu einer gewissen Uhrzeit gegessen und zwar mit allen Gästen gemeinsam an einem großen Tisch. Es finden Gespräche statt, die Schüsseln kommen wieder auf den Tisch wie bei einer Familie. Dabei geht es uns um Gemeinschaft und die persönliche Entwicklung, also das Gelingen des Lebens. Völlig frei von Religion oder Ansichten. Das sind Menschen, die sich dafür interessieren, was die Alternative zu dem ist was wir gerade betreiben. Und dafür bieten wir eine Plattform. Und dann bekommt die Hotellerie eine ganz andere Bedeutung.

8. Wie stehen sie dem Fachkräfte und Nachwuchsmangel ihrer Bran-che gegenüber?

Wenn wir über Menschenstärken sprechen, das ist ja die Fragen, wenn das unser Anspruch ist, welche Auswirkung hat das auf unser Angebot, auf unsere Kommunikation, auf unsere Organisation, auf unsere Partner. Das muss ich mich ja alles Fragen. Und das ist natürlich auch ein Wand-lungsprozess. Und wenn die Mitarbeiter nicht nur das Gefühl haben, son-dern auch tatsächlich diesen Wandel aktiv begleiten , also ihre Ideen mit einbringen dürfen und sie sehen sich und ihre Ideen in dem Ergebnis wie-der, dann entsteht diese Verbundheit zu dem was dort entstanden ist. Wenn ich ihm das einfach nur vorsetze, dann hat er keine Verbundenheit. Dann soll er das machen. Aber es geht ja darum, vom Sollen zum Wollen überzugehen. Unsere Prozesse sind zu 100% auf Partizipation ausgerich-tet. Es gibt keine klassischen, hierarchischen Strukturen mehr. Die Pyra-mide als Symbol der Leistungsgesellschaft ist absolut menschenfeindlich. Wenn ich Stellen beschreibe und Gesetze uns bezahlen dann spielt der Mensch keine Rolle. Wenn ich aber eine Organisation aufbaue wie eine menschliche Zelle, also einen Organismus in der ich drei hierarchische Ebenen habe die nicht vertikal aufgerichtet sind, sondern horizontal, wo die letzte, nicht höchste, die letzte Instanz allen Beteiligten den Rücken stärkt und gut zuspricht, dass alle ihren Aufgaben gut bewältigen können und sich als Mensch entwickeln können, dann entsteht einfach ein ganz anderes Gefühl. Dann weiß ich, okay ich bin Teil des Ganzen. Und bei den Aufgaben die ich bewältigen möchte, auf dem Weg auf dem ich mich entwickeln möchte, erfahre ich durch die letzte Instanz alle erforderliche Unterstützung, dass das geschieht.

9. Welche Mittel und Wege nutzen Sie gezielt um Nachwuchskräfte für ihr Unternehmen zu gewinnen?

Was um uns geschieht wird durch die Menschen im Unternehmen trans-portiert. In Form von Geschichten, in Form von Vorträgen. Wir erreichen im Schnitt pro Jahr 150 Millionen Menschen, ohne einen Cent dafür aus-zugeben. Das sind die Filme die entstehen, Medienberichte aber auch viele Anfragen von außerhalb. Wir haben einen Großteil von externen Menschen, die nennen sich Upstalsboomer auf Zeit, die bei uns Sabbati-cal machen. Vom Vorstand der Deutschen Bahn der zwei Monate bei uns ins Housekeeping geht, bis hin zum Springer, die sich das einfach angu-cken möchten wie wir arbeiten und natürlich auch darüber sprechen. Das ist also etwas das können wir gar nicht mehr steuern, es geschieht ein-fach. Und es geschieht deshalb, weil wir nicht einfach über irgendetwas sprechen, sondern die Menschen für sich über ihre Geschichten. Ich habe jetzt gerade das Manuskript für mein drittes Buch fertiggestellt und das besteht so zu 90% aus Geschichten. Und das war früher schon so. Zu den Zeiten wo die Menschen am Lagerfeuer saßen , da wurden Ge-schichten erzählt- Story telling. Und unsere Mitarbeiter erzählen das, was sie bei uns erleben. Und das berührt die Menschen.

Ich danke Bodo für das tolle Interview und seine Bereicherung für die Hotellerie. Er hat mir gezeigt, dass die Hotellerie auch anders gelebt werden kann und die Gastlichkeit und das Miteinander im Vordergrund steht. Ein großes Vorbild war Bodo mir, als es darum ging, sich dem Leben mit all seinen Herausforderungen zu stellen und die Verantwortung für sein Leben in die Hand zu nehmen. Er hat mich dazu inspiriert den Weg anzutreten, den ich hier mit euch teile. 

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